Tempo machen bei Entfristung!

600 Hochschulbeschäftigte demonstrieren

Am 17. Januar demonstrierten über 600 Hochschulbeschäftigte an den Hochschulstandorten Marburg, Gießen, Kassel, Frankfurt, Fulda und Darmstadt gemeinsam mit Studierenden unter der Losung „Tempo bei Entfristung!“ für mehr unbefristete Stellen und bessere Studienbedingungen. Organisiert wurden die Proteste von GEW, ver.di, unbefristet-Initiativen und Studierendenvertretungen. 

 Die Kolleg:innen forderten die hessische Landesregierung auf, die zugesicherte Ausweitung unbefristeter Stellen endlich umzusetzen. Hintergrund war ein zeitgleich in Frankfurt am Main stattfindendes Gespräch mit Vertreter:innen des hessischen Wissenschaftsministeriums, das GEW und ver.di im Zuge der Tarifverhandlungen in Hessen vor zwei Jahren vereinbart hatten. 

 Bei dem Gespräch zeigte sich die Landesregierung sehr zufrieden mit sich selbst, sie lobte sich selbst: Sie sehe aktuell keinen weiteren Handlungsdarf, ihre bisherigen Maßnahmen seien völlig ausreichend. Aus gewerkschaftlicher Sicht kann man diese selbstgefällige Einschätzung nur zurückweisen: Die schwarz-grüne Landesregierung hat zwar einen „Kodex für gute Arbeit“ und „Zielvereinbarungen“ mit den Hochschulen geschlossen, die den Ausbau unbefristeter Beschäftigungsverhältnisse vorsehen – diese sind allerdings unverbindlich und würden selbst bei voller Umsetzung das untragbare Befristungswesen nicht merklich antasten. 

 Mathis Heinrich, Sprecher der ver.di-Landesfachkommission Hochschulen und Personalrat an der Uni Marburg, brachte es auf den Punkt: »Trotz vieler warmer Worte hat sich an der skandalösen Befristungssituation in der Praxis nichts Grundlegendes geändert. Freiwillige Selbstverpflichtung funktioniert offensichtlich nicht. Es braucht verbindliche Maßnahmen«, denn weiterhin seien in Hessen über 80 Prozent des wissenschaftlichen und etwa 20 Prozent des administrativ-technischen Personals nur befristet angestellt. Laut Zielvereinbarungen sei das ein „überdurchschnittlich hoher Wert an Dauerstellen“, der bis 2025 lediglich gehalten werden müsse – mehr kann man die Beschäftigten, die nicht wissen, wie es in den nächsten Jahren beruflich und finanziell für sie weitergeht, die nicht angemessen für Familie und Freunde sorgen können, kaum verhöhnen. 

 Die Studierenden machten deutlich, dass die Folgen der Befristung alle treffen und der Qualität von Forschung und Lehre insgesamt schaden: Die Lehre werde vernachlässigt, die Betreuung von Haus- und Abschlussarbeiten funktioniere kaum, immer mehr Studierende würden ihr Studium abbrechen. Auch machten die Studierenden auf ihre eigene prekäre Lage aufmerksam, die sich durch die aktuellen Preissteigerungen bei Energie, Miete, Mensapreisen und allgemeiner Lebenshaltung noch verschärfe. In Marburg betonten außerdem Studentische Hilfskräfte die vielen Parallelen zwischen ihrer und der Lage der Hochschulbeschäftigten. Die durchschnittliche Vertragslaufzeit ihrer Arbeitsverhältnisse betrage nicht einmal ein halbes Jahr, Kettenverträge seien üblich, viele würden unbezahlte Überstunden leisten und keinen Urlaub bekommen – auch bei den Arbeitsbeziehungen im Bereich studentischer Beschäftigung braucht es also eine flächendeckende Regulierung, um die systematische Verletzung der gesetzlichen Arbeitnehmer:innenrechte wie Arbeitszeiterfassung, Entlohnung von Mehrarbeit und Urlaubsanspruch endlich zu beenden. 
 Also: Tempo machen bei Entfristung! Denn Frist ist Frust! 

(Cecilia Schweizer, Februar 2023)